Houbolt ist unser Ziel für die Zukunft; eine Flüssigtreibstoffrakete die das Weltall erreicht. Dieses Ziel haben wir als Teil der Base11 Space Challenge verfolgt, allerdings gehen wir mittlerweile unseren eigenen Weg und arbeiten an unserer ersten Flüssigtreibstoffrakete µHoubolt. Sobald µHoubolt und dessen Nachfolger die ersten erfolgreichen Flüge abgeschlossen haben werden wir dort weitermachen wo wir aufgehört haben und das Projekt Houbolt fortführen.
Mit dem Ziel ein Raketentriebwerk mit flüssigen Treibstoffen zu entwickeln und fertigen, sowie der begleitenden Technologie dazu, hat das Houbolt Raketenkonzept seinen Anfang genommen. Eine solche Triebwerkstechnologie von Grund auf zu entwickeln ist keine Kleinigkeit und hat eine Vielzahl an Teilprojekten die der Entwicklung von Prototypen, Modelle mit kleinerem Maßstab und Unterbaugruppen dediziert sind. Um das Verhalten der Technik zu validieren und alles von verschiedenen Bauteilgeometrien, Zündermischungen, Checklisten, Firm- und Software mit schnelleren Iterationszeiten und geringeren Kosten testen zu können, würde das Projekt µHoubolt – eine kleinere Rakete mit denselben Technologien und Systemen – ins Leben gerufen. Um all die Teile die in beide dieser Raketen bauen, testen und validieren zu können wurden die Teststände TS02-500N und TS03-24kN entwickelt und gebaut.
Base11 Space Challenge
Die Base11 Space Challenge ist ein nordamerikanischer Wettbewerb für Studententeams, dessen Ziel es ist, Studenten für die Raumfahrt zu begeistern um den Nachwuchs in diesem Bereich zu fördern. Um den Wettbewerb zu gewinnen muss man als erstes von 33 Teams und vor Ende 2021 eine einstufige Flüssigtreibstoffrakete bauen und erfolgreich in den Weltraum, also auf mindestens 100 km Höhe, fliegen lassen. Dem Gewinnerteam winkt ein Preisgeld von $1Mio., zusätzlich gibt es für mehrere Zwischenziele ebenfalls Preisgelder.
Spaceport Toronto X Vienna
Die Teilnahme an der Base11 Space Challenge ist Teams aus den USA und aus Kanada vorbehalten. Aus diesem Grund haben wir uns mit dem University of Toronto Aerospace Team (UTAT) zusammengeschlossen und nehmen unter dem gemeinsamen Namen Spaceport Toronto X Vienna, kurz TXV, an der Challenge teil. Gemeinsam wollen wir den Wettbewerb gewinnen und den Ausgangspunkt eines studentischen, transatlantischen Netzwerkes schaffen.
Die Zusammenarbeit zwischen den Teams gestaltet sich gut, da wir uns hervorragend ergänzen. Die Schwerpunkte in der Ausbildung sind ganz unterschiedlich gesetzt, sodass die Systeme problemlos aufgeteilt werden können. Gemeinsam können wir auf ein breites Spektrum an Know-How zurückgreifen, welches definitiv benötigt wird um ein derart umfangreiches Projekt umzusetzen. Die Zusammenarbeit erfolgt großteils via Internet, wir konnten unsere kanadischen Kollegen aber bei einem Safety-Meeting in Toronto und einer Hot-Fire-Demonstration in Texas auch schon persönlich kennenlernen. Die Kollaboration wurde seitdem auf gelegentliches Austauschen von akkumuliertem Wissen reduziert, da wir nicht mehr aktiv an der Base11 Space Challenge arbeiten – allerdings verfolgen wir weiterhin unsere Vision mit einer Flüssigtreibstoffrakete das All zu erreichen.
Houbolt
Jede Raumfahrtmission benötigt eine geeignete Trägerrakete. Unsere Rakete Houbolt, benannt nach NASA-Ingenieur John C. Houbolt, ist die ideale Kombination aus einfachem Design und innovativer Technologie. Wir stützen uns stark auf leichte Verbundwerkstoffe, die uns ein vergleichsweise kleines und damit sichereres Design ermöglichen. Die Anforderung an ein hoch effizientes und komplexes Raketentriebwerk soll dadurch gelockert werden, was zur Vereinfachung der benötigten Technologie und in weiterer Folge zu einer Reduzierung der Kosten und Entwicklungszeit führt. Mit einem Leergewicht von nur 125kg (410kg betankt), einer Länge von 8,5m sowie einem Durchmesser von 30cm ist unser Flugkörper klein und leicht hinsichtlich des angedachten Missionsprofils. Als Treibstoffe kommen Ethanol und druckverflüssigtes Lachgas zum Einsatz, deren Verbrennung die Rakete mit einem Schub von 8,5kN antreibt.
Als erstes Zwischenziel der Base11 Space Challenge wurde bis März 2019 ein Preliminary Design Report (PDR) verfasst, der unter Anderem eine genaue Beschreibung der Rakete und deren Subsysteme enthält. Im Folgenden werden diese kurz erklärt.
Aufbau von Houbolt
Recovery Bay
Die Recovery Bay enthält ein zweistufiges Bergungssystem, das eine sanfte Landung ermöglicht und die Rakete vollständig wiederverwendbar macht. Das hausintern entwickelte Federring-Trennsystem verspricht einen zuverlässigen Betrieb, sowohl in der Atmosphäre, als auch im Vakuum.
Payload Bay
Die Payload Bay kann bis zu 5 kg wissenschaftlicher Nutzlast aufnehmen, und bietet Stromversorgung und Montagepunkte für Experimente bei Schwerelosigkeit.
Upper Engineering Bay
Die “Upper Engineering Bay” enthält die Stickstoff-Drucktanks für die Oxidatorbedruckung sowie Avionik. Ein Cold-Gas-Thruster-System, zur Kontrolle der Rollrate, wird ebenfalls aus den Composite-Drucktanks gespeist und befindet sich auch in diesem Abschnitt.Treibstofftanks
Treibstofftanks
Die Nutzung von Typ IV Kohlefaser-Kunststoff-Verbund Tanks ermöglicht eine sehr leichte Konstruktion. Darüber hinaus ist die Kohlenstofffaser-Kunststoff-Struktur der Tanks in der Lage, eine zusätzliche Außenhülle vollständig zu ersetzen. Die Tanks sind in einer Tandemanordnung angeordnet.
Lower Engineering Bay
Die “Lower Engineering Bay” enthält Drucktanks für die Brennstoffbedruckung, Hauptventile, Anschlüsse für Befüllung und das Triebwerks-Gimbal sowie Avionik.
Subsysteme von Houbolt
Bergung
Der Hauptfallschirm ist ein Rundkappenfallschirm mit einem Loch im Mittelpunkt. Diese Form hat einen hohen Drag-Koeffizient, welcher uns erlaubt einen möglichst kleinen Fallschirm zu verwenden. Sowohl Hauptfallschirm als auch Bremsschirm sind beide in der Spitze verstaut. Zum Auswurf dieser wird die Spitze vom Hauptkörper der Rakete getrennt. Diese Trennung übernimmt ein eigens entwickelter Mechanismus, dem wir den Namen “Slingshot” gegeben haben. Eine Spannleine geht vom unteren Kuppler bis ganz oben in die Spitze. Der oberste Teil der Spitze kann abgeschraubt werden, womit man dann Zugang zu einer Schraube hat. Durch das Drehen dieser Schraube wird eine mit der Spannleine verbundene Scheibe nach oben gezogen, welches zum Anspannen der Leine führt. Dadurch ist die Spitze fest mit dem Hauptkörper verbunden. Wenn die Rakete den Gipfelpunkt ihres Flugs erreicht wird die Spannleine mit zwei redundanten pyrotechnischen Line Cuttern durchgeschnitten. Durch die Federn, die im Kuppler angebracht sind, wird die Spitze dann vom Hauptkörper getrennt, welches zum Auswurf des Fallschirms führt.
Avionik
Das Avionik-Subsystem beinhaltet alle elektronischen Komponenten der Rakete. Es steuert alle Funktionen, zeichnet Messdaten auf und kommuniziert mit dem Equipment am Boden. Das Subsystem ist modular aufgebaut und alle sicherheitskritischen Komponenten sind soweit wie möglich redundant (teilweise sogar unabhängig vom restlichen System funktional) ausgeführt. Für hohe Flexibilität und niedrigen Verkabelungsaufwand kommunizieren die einzelnen Module über zwei redundante Datenbusse und werden von zwei redundanten Versorgungsbussen versorgt. Die Integration von neuen und das Ausbauen von nicht mehr benötigten Modulen ist dadurch problemlos möglich.
Zu den Aufgaben der Avionik gehört unter anderem die Steuerung des Flugablaufes, die Steuerung des Triebwerks, die Regelung der Flugbahn, das Auslösen des Bergungssystems sowie die Überwachung aller Sensordaten, um den Flug gegebenenfalls sicher abbrechen zu können.
Die Avionik kommuniziert per Funk mit der Bodenstation (vor dem Start auch per Kabelverbindung), um die Steuerung der Flugvorbereitung (Betankung, Systemchecks), die Überwachung der Sensordaten und einen manuellen Abbruch des Fluges zu ermöglichen. Die Funkverbindung zu mehreren Bodenstationen wird im Flug genutzt um die Position der Rakete zu bestimmen.
Treibstofftanks
Die Tanks erfüllen neben der Aufgabe der Treibstoffspeicherung auch einen strukturellen Zweck. In Kombination mit den gewählten Leichtbaumaterialien ermöglicht dies eine sehr leichte Rakete. Beide Treibstofftanks werden als Typ IV Tank ausgeführt, hierbei handelt es sich um ein Kohlefaser-Kunststoff-Verbund in welchem sich ein dünner Kunststoffliner befindet. Der Lachgas-Tank wird oberhalb des Ethanol-Tank angeordnet, wodurch der Schwerpunkt etwas höher liegt. Da es sich bei den Tanks um strukturelle Bauteile, welche sich über den gesamten Querschnitt der Rakete erstrecken handelt, ist es nicht möglich, ohne weiteres Kabel und Leitungen außerhalb der Tanks ohne ordnungsgemäße Verkleidungen zu verlegen. Somit ist es erforderlich systemkritische externe Elektronik- und Treibstoffleitungen zu vermeiden, da die genauen aerodynamischen Bedingungen (insbesondere der Wärmeeintrag) unbekannt sind. Dies bedeutet, dass es erforderlich ist, alle notwendigen Leitungen durch die Tanks zu führen.
Beide Tanks verfügen über mehrere Sicherheitsmechanismen um einen kritischen Überdruck zu vermeiden.
Avionik-Kabelkanal
Es ist erforderlich, die obere und die untere Avionik zu verbinden. Aus diesem Grund wird ein Kabelkanal mit 6-7 mm Innendurchmesser installiert. Diese Leitung wird durch beide Treibstofftanks geführt. Um zu verhindern, dass sich statische Ladung in Bezug auf die Tankwände am Kanal ansammelt, besteht der Kanal aus (leicht) leitfähigem Material wie Kohlefaser oder Metall und ist elektrisch mit dem Tank verbunden.
Treibstoff-Förderung
Um die Komplexität möglichst gering zu halten, werden die Treibstoffe mittels Stickstoffbedruckung von den Tanks ins Triebwerk gedrückt. Dazu befinden sich in der Upper- bzw. Lower Engineering Bay Hochdruck-Stickstofftanks. Über Regelventile wird der Druck minimiert und in die Treibstofftanks geleitet. Als Alternative dazu werden elektrische Pumpen evaluiert. Diese sind zwar komplexer als die reine Druckförderung, würden aber die Masse der Rakete deutlich senken und die Stickstofftanks kleiner sowie die Betankung einfacher machen.
Triebwerk
Das Triebwerk von Houbolt wird in enger Zusammenarbeit zwischen UTAT und TUST entwickelt und vereint das Wissen beider Teams. Dieses, um einen eigens entwickelten Injektor herum gebaut, wird einen durchschnittlichen Schub von 8,5 kN liefern, und so Houbolt innerhalb von 58 Sekunden auf Mach 4,5 beschleunigen. Erste Erfahrungen mit einem kleinen Triebwerk werden bereits gesammelt, welche später ins Base11-Projekt einfließen werden.
Als Innovation in dem Projekt soll eine Brennkammer und Schubdüse aus “DragonScale” zum Einsatz kommen. Dies ist ein hitzebeständiger Kohlefaser-Metall-Verbundwerkstoff, der vom TU Wien Space Team gemeinsam mit dem Institut für Chemische Technologien und Analytik entwickelt wird. Kohlefasern behalten ihre außergewöhnlich hohe Festigkeit bei weit über 2000°C bei, sofern sie vor Oxidation geschützt sind. Diese Funktion übernimmt eine Matrix aus hochschmelzendem Metall, in die die Fasern eingebettet sind. Eine geeignete Kombination aus beiden Komponenten bringt ein Material hervor, das die hervorragenden Eigenschaften von Kohlefasern mit denen der metallischen Werkstoffe kombiniert. Zur Herstellung wird ein vorbehandeltes Kohlefasergewebe in die gewünschte Form gebracht und auf einem 3D-gedruckten Dorn fixiert. Über einen mehrstufigen Prozess wird das gewünschte Metall nun in einem galvanischen Bad zwischen die Fasern eingelagert, und ein stabiles Werkstück erzeugt. Mit dem Entfernen des Kerns und anschließender Nachbehandlung, ist die Herstellung der Komponente abgeschlossen.
Einige Prototypen auf Nickelbasis wurden bereits im Labor hergestellt. Erste Tests zeigen vielversprechende Ergebnisse bezüglich der gewünschten Materialeigenschaften. Ziel ist ein Hochtemperaturwerkstoff, der unter anderem für Brennkammern und Düsen von Raketentriebwerken benutzt werden kann.
Lageregelung
Die Lageregelung wird durch das Zusammenwirken von zwei unterschiedlichen Systemen gewährleistet.
Das Gimbal sorgt für Kontrolle und Stabilität der Flugbahn. Basierend auf dem Prinzip der kardanischen Ring-Aufhängung, werden zwei eigens gefertigte elektrische Aktuatoren derart angeordnet, dass sie entkoppelt die zwei Ringe ansteuern. So kann das Triebwerk in alle Richtungen geschwenkt werden wodurch Pitch und Yaw unabhängig voneinander gesteuert werden.
Zur Kontrolle der Rollrate braucht man noch ein weiteres System, die “Cold-Gas Thruster”. Dieses System setzt sich aus 4 kleinen Düsen zusammen, welche Stickstoff ausstoßen um ein Drehmoment auf die Rakete auszuüben. Da die Bedruckung der Treibstofftanks ebenfalls mit Stickstoff erfolgt, muss hierfür kein extra Tank mitgeführt werden.
Großer Teststand
Jede Rakete braucht ein Triebwerk und für unsere Mission auf 100 km, brauchen wir ein großes – das größte, das jemals in Österreich entworfen und gebaut wurde, um genau zu sein. Das Design eines solchen Triebwerks benötigt eine besonders sichere und zuverlässige Testumgebung. Aus diesem Grund arbeiten wir derzeit an der Entwicklung einer großen Testanlage. Dabei stellt Sicherheit einen entscheidenden Faktor im Design dar. Um sich schnell an neue Testszenarien anpassen zu können, haben wir einen mobilen Teststand entworfen, welcher uns ermöglicht immer den besten Standort für einen Test zu wählen. So können außerdem größere Vorbereitungen direkt in unserer Werkstatt, statt am Testgelände, vorgenommen werden. Die Plattform kann außerdem für eine Vielzahl unterschiedlicher Testszenarien, für sowohl Cold-Flow- als auch Hot-Fire-Tests, mit verschiedenen Antriebskonzepten, von Flüssigtreibstofftriebwerken zu Hybriden und selbst Feststoffantrieben, genutzt werden. Weiters können durch die Bereitstellung einer Testanlage weitere Luft- und Raumfahrtprojekte realisiert werden, wodurch besonders der Bildungssektor profitiert. Dies wird den europäischen Space Effort stärken, und die Entwicklung und das Testen größerer österreichischer Raketentriebwerke ermöglichen.
Projektpräsentation
Ein Video der Präsentation des Projektes beim Space Event 2019 findet sich hier:
Projektmitglieder
Andreas Bauer
Tobias Bauernfeind
Moritz Beer
Johann Breyner
Luis Büchi
Pavel Filippov
Benjamin Fillei
Daniel Frank
Jakob Gillinger
Max Gruber
Bernhard Hansemann
Paul Höller
Gera Kozhakhmetova
Ray Kushekova
Mubu Mubu
Iman Mujadzic
Adriana Nicolescu
Diego Norena
Markus Pinter
Florian Precht
Andreas Rabl
Marcus Roth
Alexander Sebo
Roman Striegler
Herbert Striegler
Luc Vuillemot
Taras Weinl
Julian Wrona
Muhamad Zalt
Yao Zhou