Das Space Team der TU Wien startet gemeinsam mit der Universität Würzburg ein ambitioniertes Projekt: Aus einer Rakete sollen Messgeräte abgeworfen werden, die ohne Fallschirm zur Erde zurückkehren.
Im Rahmen des REXUS/BEXUS Programms kooperiert das TU Wien Space Team mit einer Gruppe von Studierenden der Universität Würzburg:
Es ist eine gewagte Idee, und niemand weiß genau, ob sie funktionieren wird: Mit einer Rakete sollen röhrenförmige Messgeräte in eine Höhe von 75 Kilometern transportiert werden und dann ganz von selbst unversehrt zur Erde zurückkehren. Wenn sich diese Technologie bewährt, könnte sie in Zukunft ein interessantes neues Werkzeug für die meteorologische Forschung werden.
Die Grundidee
Die Grundidee für das neuartige Messgerät erinnert an Ahornsamen, die durch ihre langen Flügel ganz langsam und sanft zu Boden sinken.
Die röhrenförmigen Sonden, genannt Space Seeds, sind ebenfalls mit Flügeln ausgestattet, welche sich nach dem Auswurf aus der Rakete aufklappen und die Space Seeds wieder abbremsen.
Hier können Sie die Aufzeichnung der Projektpräsentation durch den Projektleiter Clemens Riegler finden, die im Rahmen des Space Events 2018 stattgefunden hat.
Der Beitrag des TU Wien Space Teams
An der TU Wien werden folgende Komponenten entwickelt: Der Onboard-Computer der Space Seeds sowie der Auswurfmechanismus.
Der Auswurfmechanismus
Im Rahmen des Daedalus-Projekts werden 3 Space Seeds gleichzeitig gestartet. Während des Starts und Steigflugs der REXUS-Rakete befinden sich diese in der Spitze (Nosecone).
Dabei werden die Space Seeds in drei GFK-Röhren beherbergt, wobei die Flügel beim Steigflug eingeklappt sind. Die drei Röhren sind gleichzeitig Teil des Auswurfmechanismus: Die Space Seeds sitzen auf einer vorgespannten Feder, welche mittels eines Stahlseils zurückgehalten wird. Spezielles Augenmerk wurde auf die Materialauswahl gelegt, um möglichst hohe Festigkeit bei geringem Gewicht zu erreichen.
Am Gipfelpunkt, welcher bei ca. 75km liegen wird, werden die Stahlseile mittels Pyro-Cutter getrennt und die Space Seeds ausgeworfen. Dies ist in dem folgenden Video, aufgenommen bei einem Hot Countdown im Rahmen des Bench-Tests bei der MORABA(DLR), gut zu sehen:
Onboard-Computer FMS3D
Als Onboard-Computer wird eine adaptierte Version unseres Flight-Management-Systems 3 verwendet. Angepasst musste unter anderem die Stromversorgung werden, da aufgrund von regulativen Anforderungen NiMh-Akkus verwendet werden sollen. Da der Start im Winter im nördlichen Schweden stattfinden wird, werden die Akkus auf der Startrampe vorgewärmt um die volle Leistungsfähigkeit zu erreichen.
Als Funkmodule werden neben XBEE Shortrange Module zur Kommunikation zwischen den Seeds und dem On-Rocket-Computer innerhalb der Rakete auch Satellitenkommunikationsmodule von Iridium verwendet, welche die Ortskoordinaten nach der erfolgreichen Landung übertragen sollen.
REXUS/BEXUS
“REXUS/BEXUS” ist eine Kooperation des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt mit dem Swedish National Space Board und der ESA. Jedes Jahr werden im Rahmen von “REXUS” in Schweden zwei Raketen gestartet, die von Studierenden entwickelte Instrumente und Experimente in eine Höhe bis etwa 80 Kilometern transportiert.
Im Rahmen einer REXUS-Kampagne müssen spezifische Milestones erreicht und Tests in Labors des DLR, ZARM und SNSB absolviert werden. Hier eine Auswahl von Fotos im Rahmen dieser Events:
Launchkampagnen
März 2018
Der Start der Rakete REXUS23 inkl. den Space Seeds war ursprünglich im März 2018 in Kiruna geplant. Nach der Ankunft der Studierendenteams werden dabei wurden vor Ort die Experimente in die Raketen integriert und verschiedenste Tests durchgeführt. Diese sollen einerseits eine reibungsfreie Funktion garantieren sowie andererseits verhindern, dass andere Experimente oder der Raketenstart selbst beeinträchtig wird.
Nach einem fehlerhaften Start der Schwesterrakete REXUS24 wurde die Kampagne jedoch abgebrochen und der Start von REXUS23 um ein Jahr verschoben.
März 2019
Im März 2019 war es dann soweit: REXUS 23 wurde im Vorfeld der Kampagne für REXUS 25/26 am 4. März gestartet. Die drei Space Seeds wurden auf einer Höhe von ca. 75km ausgeworfen. Die Seeds hatten während des Sinkfluges durchgehend Funkkontakt und konnten am Tag darauf per Hubschrauber geborgen werden.
Folgendes Video zeigt den sequentiellen Auswurf der drei Space Seeds auf einer Höhe von ca. 75km.
Die Auswertung der aufgezeichneten Daten bestätigte schließlich: Die Space Seeds haben sich beim Auftreffen auf die dichtere unter Atmosphäre wie geplant stabilisiert und begannen zu rotieren. Diese Rotationsbewegung bremste die Seeds von ca. 800m/s auf 35km Höhe auf ca. 25m/s bei der Landung, welche die Seeds unbeschadet überlebt haben.
Die Space Seeds landeten alle innerhalb eines Radius von 1km, 33km von der Startrampe entfernt. Das nachfolgende Bild zeigt die Flugparabel der REXUS23-Payloadsection sowie die Flugbahn eines Space Seeds, welcher bereits ab 15km Höhe GPS-Verbindung hatte.

Zusammenfassung
Das Projekt Daedalus war aus unserer Sicht ein voller Erfolg. Ein paar Eckpunkte:
- Das TU Wien Space Team konnte das erste Mal am deutsch-schwedischen REXUS/BEXUS Programm teilnehmen.
- Mitglieder des Space Teams konnten bei zwei Launch-Kampagnen in Kiruna (Schweden) teilnehmen und v.a. internationale Kontakte knüpfen.
- Der Boardcomputer FMS, welcher bereits seit einigen Jahren in unseren Raketen Projekten wie STR und The Hound eingesetzt wird, konnte erfolgreich in diesem Szenario und bis auf eine Flughöhe von 75km getestet werden.
Daedalus Veröffentlichungen und Medienspiegel
- Presseaussendung März 2018: Künstliche Ahornsamen aus der Rakete
- Presseaussendung März 2019: Ohne Fallschirm vom Weltraum zur Erde
- Medienspiegel
- Konferenzartikel ESA PAC Symposium 2019
Projektteam
Folgende Mitglieder des TU Wien Space Teams waren an dem Projekt beteiligt (alphabetische Reihenfolge):
- Christoph Fröhlich (Projektleiter)
- Alexander Hartl
- Patrick Kappl
- Christian Plasounig
- Reinhard Rath
- Stefan Schaffer
- Manuel Schleiffelder
- Sebastian Seisl
- Andreas Sinn