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Reisebericht „The Hound“ 2019

Im September 2019 reiste das TU Wien Space Team mit zwei Raketen nach Amerika um den Weltrekord für Studententeams nach Österreich zu holen. Die Raketen “The Hound 1” und “The Hound 2” waren im Gepäck und das Ziel war klar: Das Weltall.
Viele Teams von Studierenden hatten diese magische Grenze bereits im Visier, geschafft hatte es bisher nur ein Team der University of Southern California! Hier ein Bericht von unserem Rekordversuch und unserer Zeit in Amerika:

Montag

Am Montag, den 16. September 2019, reisten 13 Mitglieder des TU Wien Space Teams nach Reno/Nevada, um sich auf den Start von “The Hound 2” und den erneuten Start von “The Hound 1” vorzubereiten. Das Ziel: Der europäische Höhenrekord für Studententeams.

Wir bezogen sofort unsere vorläufige Basis, ein Vorstadthaus mit fünf Schlafzimmern, drei Bädern, einer geräumigen Wohnküche und einem von allen sehr geschätzten Chill-Out-Bereich samt Billardtisch. Schnell war auch ein Name gefunden: Space Team Mansion.

Dienstag

Den ersten Dämpfer erlebte unser Tatendrang recht bald: Wir erfuhren, dass unsere Feststoffmotoren, trotz der Ankündigung des Lieferanten die ganze Woche in der Gegend zu sein, erst am Mittwochabend verfügbar sein würden. Somit konnten wir einen wesentlichen Teil unserer Arbeit, den wir schon vor der Abfahrt in die Wüste erledigt haben wollten, noch nicht in Angriff nehmen. 

Die Elektronikabteilung war indessen alles andere als unterbeschäftigt: Bodenstationen wurden vorbereitet, Elektronik-Stacks der Raketen auf Transportschäden überprüft und auch die Software wollte noch optimiert werden. Das gesamte Team half mit wo es nur möglich war und die weniger Beschäftigten übernahmen häusliche Tätigkeiten wie Einkäufe, die Zubereitung des Abendessens oder spielten (in ganz seltenen Fällen) eine Partie Billard.  

Ein kulinarisches Highlight und zweifellos eine Meisterleistung aller 12 Köche war der selbstgemachte Schweinsbraten mit Semmelknödel am Dienstag. 

Austrian Delight
Mittwoch

Am Folgetag, dem Mittwoch, verdüsterte sich der Ausblick aufs Wochenende dann jedoch vollends: Von den zwei bestellten N5800 Motoren war nur einer verfügbar, und der sollte erst am Freitag direkt in die Wüste geliefert werden. Unser Plan – am Freitag bereits die erste Rakete gestartet und geborgen zu haben – war somit endgültig hinfällig. 

Donnerstag

Zeitig am Donnerstagmorgen brach dennoch ein Trupp aus drei Personen des Teams auf um autonome Bodenstationen im Gebirge der Black Rock Desert zu verteilen. 

Der Rest des Teams machte sich im Lauf des Vormittags auf den Weg nach Gerlach – das letzte bisschen Zivilisation vor der Wüste. Tief hängende Wolken und unterwegs immer wieder auftretende Regenschauer drückten die Stimmung und ließen uns an der Möglichkeit die Wüste überhaupt zu befahren zweifeln. Der sandige Boden der Playa – ein ausgetrockneter Salzsee und gleichzeitig Austragungsort von BALLS – ist nämlich bei Nässe für schwere Fahrzeuge wie unsere RVs gänzlich unbefahrbar. Wir entschieden uns trotzdem den Versuch zu wagen und hatten Glück, dass die Feuchtigkeit nur ein oberflächliches Problem war. 

Als wir das provisorische Camp in Sichtweite des namensgebenden Black Rock erreichten begannen wir sofort damit unsere vier mobilen Heime zu einem kleinen Lager zu gruppieren. Im “Innenhof” unserer Wagenburg platzierten wir ein paar Sitzgruppen, an die Seiten hängten wir die österreichische Flagge und unser Sponsorenbanner und darüber improvisierten wir einen Sonnenschutz. Danach bauten wir die Startrampe zusammen und versuchten unsere Raketen – bis auf den Einbau der Motoren – zu finalisieren. 

Während immer mehr nordamerikansiche Raketenenthusiasten das Camp mit ihren Wohnwägen und Zelten erweiterten, machte ein Gerücht die Runde, das sich dann auch bald bestätigen sollte: Die Organisatoren der Veranstaltung BALLS wollten aufgrund der Witterung nicht in die Wüste fahren. Ein verspäteter Beginn aller Raketenstarts war somit unvermeidbar, die Bedingungen am Freitagmorgen würden über den weiteren Verlauf des Events entscheiden. 

Freitag

Am Freitag ging dann doch alles schneller als gedacht, das Organisationskomittee reiste an und die offizielle Anmeldung beim Event konnte zügig erledigt werden. Die Raketenstarts konnten beginnen!

….aber da war doch noch was! Ja, unsere Raketenmotoren ließen immer noch auf sich warten. Somit waren wir zu Zusehern degradiert, durften aber dennoch etliche beeindruckende Raketenstarts und ein paar nicht minder spektakuläre Fehlversuche beobachten. 

Wir versuchten uns sinnvoll die Zeit zu vertreiben, den Start am Samstag vorzubereiten und probten eine unserer Neuerungen bei “The Hound 2”: Das Launch Procedure, welches Punkt-für-Punkt den Ablauf der Startvorbereitungen vorgibt.

Am späteren Nachmittag fuhr ein Großteil des Teams zu den berühmten heißen Quellen am Fuße des Black Rock und betätigte sich in Teambuilding-Aktivitäten. Bei der Rückkehr wurden von den restlichen Kollegen stolz die eingetroffenen Motoren präsentiert. Wir gingen sogleich an die Arbeit, um bei Sonnenaufgang mit den finalen Startvorbereitungen beginnen zu können.

Samstag

Endlich konnten wir den Rekordversuch wagen! Die furchtbare Kälte, die die Wüste nachts im Griff hat, konnte uns nichts anhaben: Voller Elan bauten wir die Startrampe auf dem eine Meile entfernten Launchpad auf. Während die Sonne wie jeden Tag wieder an Kraft gewann und immer unbarmherziger auf uns herab brannte brachten wir den startbereiten “The Hound 2” hinaus auf die Playa. Das Launch Procedure wurde konzentriert abgearbeitet und die Aufregung stieg mit jeder Minute. Die Kameras wurden positioniert, der Liveticker mit aktuellsten Updates versorgt. Nicht mehr lange und das TU Wien Space Team sollte Richtung Weltall abheben!

…und dann machte die Verkabelung Probleme. Unplausible Statuswerte zweier Sensoren sorgten für einen ungeplanten HOLD im Ablauf. Nach einem schnellen Check vor Ort und der Diagnose eines Kabelbruchs mussten wir den Startversuch abbrechen und ins Lager zurückkehren, um die notwendigen Arbeiten durchführen zu können.

Die betroffenen Kabel waren schnell getauscht, ihre Funktionsfähigkeit überprüft und nach einem schnellen Mittagessen ging es wieder hinaus in die Away Cell. Abermals checkten wir uns durch das Launch Procedure, am Checkpunkt des vorherigen HOLDs rauschten wir vorbei, das Gelände wurde geräumt, die Kameras nun auch aktiviert, der Puls stieg, die letzten Verbliebenen machten sich für das zügige Räumen des Startgeländes bereit. 

…und dann machte das Avioniksystem erneut Probleme. Diesmal war’s der Funk – die Elektronik schien zwar korrekt zu arbeiten und sendete auch fleißig Statusupdates, konnte aber anscheinend keine Befehle empfangen. Wir versuchten noch unser Möglichstes um das Problem zu beheben, aber die Zeit lief uns davon. Die autonomen Bodenstationen, die einige Tage zuvor im Gebirge verteilt worden waren, schalteten sich nämlich um 17 Uhr ab, um Strom zu sparen. Auch Groundstations brauchen Schlaf.

 

Unverrichteter Dinge zogen wir somit wieder ab und verschoben – auch zum Leidwesen aller im Rest der Welt Mitfiebernden – den Start auf Sonntag, den letzten Tag von BALLS. Ein Start unserer zweiten Rakete “The Hound 1” war somit so gut wie ausgeschlossen. Es wurde dennoch ein weiterer Booster-Motor vorbereitet, um noch einen zweiten Rekordversuch starten zu können, falls wie im Jahr zuvor die Oberstufe nicht zünden sollte.

Danach entspannte sich ein Teil des Teams wieder in den benachbarten heißen Quellen und genoss den atemberaubenden Sternenhimmel und die unglaubliche Stille im Herzen der Wüste. 

Sonntag

Jetzt aber wirklich! Same procedure as every day. Langsam kehrte eine gewisse Routine beim Abhaken des Launch Procedures ein, was die Nervosität aber nicht verringerte. Jeder fühlte: Heute geht’s um was – jetzt oder nie! Der Europarekord und vielleicht sogar der Weltrekord waren zum Greifen nahe. 

Vorsorglich war der Projektleiter und Elektronik-Chef Christoph Fröhlich gleich in die Away Cell mitgekommen – aus kürzerer Entfernung klappte diesmal auch der Funk, die Vermutung, dass der ungewöhnlich feuchte Wüstenboden die Verbindung störte, bestätigte sich. 

Alle Systeme auf GO, letzte Infos an den Liveticker in der Heimat, Startfreigabe durch den Launch Control Officer und dann über den Camp-Funk die erhebenden Worte: “Heads up for the Austrian space shot!”

Die Booster-Stufe zündete und “The Hound 2” strebte gerade wie ein Strich dem Himmel entgegen. Leichte Bewölkung behinderte zuerst die optische Nachverfolgung durch uns Beobachter und sehr bald folgte die erste Ernüchterung. Die ausbleibende Linie aus Rauch hoch oben am Himmel, die die erfolgreiche Zündung der Oberstufe signalisiert hätte, blieb aus. Die Daten, die wir empfangen konnten, zeichneten ein noch schlechteres Bild vom Flugverlauf. Bald war der Kontakt ganz abgerissen, die letzte GPS Position des Boosters irgendwo in 6km Höhe, der Sustainer laut kommerziellem GPS-Modul schon am Boden…jetzt schon? 

Wir  brachen gleich auf um zu sehen in welchem Zustand unsere Rakete war. Bald zeigte sich: Es war kein guter.

Lediglich die Spitze und der obere Teil vom Elektronik-Stack waren erhalten geblieben, der untere Teil des Glasfasersegments war komplett weggerissen worden und wohl noch immer mit dem Motorrohr verschraubt, von dem allerdings jede Spur fehlte. 

 

Niedergeschlagen kehrten wir ins Lager zurück. Ein weiterer Startversuch am Sonntag war nicht mehr möglich und wurde auch nicht als sinnvoll bewertet – wussten wir doch zu diesem Zeitpunkt noch nicht, was unseren Rekordversuch unterbrochen hatte.

Wir aßen ein verspätetes Mittagessen und teilten uns auf: Ein Team suchte die nähere Umgebung der Fundstelle nach Resten der Rakete ab versuchte sein Glück im Umkreis der letzten Position des Boosters, ein weiteres brach in die umliegenden Berge auf um die Bodenstationen einzusammeln. Der Rest des Space Teams begann damit das Lager zusammenzupacken und fuhr schließlich bei Einbruch der Nacht nach Gerlach zurück. 

Der Suchtrupp konnte schließlich noch einen kleinen Erfolg verbuchen: Das Kupplerrohr konnte unversehrt aber mit abgerissener Fallschirmleine gefunden werden. Etwas Ratlosigkeit und Unverständnis für den Verlauf des Raketenstarts herrschten beim Abendessen in Bruno’s Imbiss in Gerlach, doch die Stimmung war gut und schließlich zogen sich alle für einen Schlummertrunk oder zum Kofferpacken zurück in die Wohnwägen zurück. 

Montag

Während sich acht Personen frühmorgens auf den Weg zurück nach San Francisco machten, fuhren die restlichen vier Teammitglieder noch einmal mit zwei Autos in die Wüste um den ganzen Tag in immer entlegeneren Bereichen der Wüste kreuz und quer das Gelände abzusuchen  – letztendlich erfolglos.

Im Laufe der beiden letzten Tagen wurde mit den beiden Jeeps eine Strecke von über 140km um die vermutete Landestellen abgesucht. Aufgrund des unübersichtlichen Terrains war aber von vornherein klar, dass die Chance noch weitere Teile von The Hound 2 zu finden, gegen Null geht.

Somit endete auch der zweite Anlauf den Europarekord für studentische Teams zu knacken mit einem unerfolgreichen Versuch für das TU Wien Space Team.

Aber wir werden hartnäckig bleiben und wieder kommen! Sobald die technische Auswertung und Analyse der vorhandenen Daten abgeschlossen ist, wird es auch einen technischen Bericht geben, inklusive einer Deutung der Fehlfunktion beim Start von “The Hound 2”.

Wir freuen uns schon auf jetzt auf den Moment im nächsten Jahr, in dem es heißen wird: “GO for launch for The Hound 3!”