Nachdem die letzten Elektronik- und Trenntests bis spät in die Nacht des Vortages angedauert hatten, bekam „Watney“ die Freigabe für den „Vol simulé´“,dem finalen Test. Der hierbei durchzuspielende Flugverlauf von Vorbereitungen, Start, Trennung (Hierbei galt es die, durch den Trennmechanismus herausgeschleuderte Spitze mit einer Decke aufzufangen), und dem reibungsfreien Entfalten der Fallschirme verlief problemlos. Gegen Mittag zeigten die Bildschirme im Kontrollzentrum, dass STR-06 als zweite Rakete ihrer Kategorie die Startfreigabe erhalten hat.
Unser Startfenster fiel auf frühen Nachmittag. Nach einer kleinen Stärkung ging es für uns an die finalen Vorbereitungen und Adaptionen für den Flug. Unter anderem galt es, die Masse der Rakete mittels zusätzlicher Nutzlast (500 Gramm Gummibärchen) zu erhöhen, da die Flugsimulationen beim Abnahmetest eine leicht zu hohe Endgeschwindigkeit angezeigt hatten. „Watney“ wurde ein letztes mal gewogen, die Akkus aufgeladen, die Fallschirme gepackt und am frühen Nachmittag war alles bereit für die Abfahrt zum Startplatz. Dort angekommen mussten nur noch die Druckbehälter befüllt werden und schon befanden wir uns in einem alten Armeelastwagen, der uns über holprige Feldwege zur gut 500 Meter entfernten Startrampe brachte, wo uns das Sicherheitsteam und der Pyrotechniker schon erwarteten. Unserem Launch-Protokoll folgend brachten wir STR-06 auf der Startrampe in Position, instruierten das Personal über letzte Handgriffe zum Scharfschalten der Bordelektronik (Reißleine ziehen und davonlaufen) und fuhren, bis auf unseren Teamleiter (er hatte natürlich die Ehre, die Zündungssequenz einzuleiten), zurück in die Sicherheitszone, um dort unsere Bodenstation in Betrieb zu nehmen. Einige Wolken zogen über den ansonst blauen Himmel hinweg, während wir darauf warteten, dass der Pyrotechniker den Motor einsetzte und die Elektronik aktivierte. Gut 15 Minuten später war es soweit und per Funk wurde gemeldet, dass unser Sicherungsstift gerade entfernt wurde. Es dauerte keinen Moment, da empfingen wir erste Funksignale. Die letzten Befehle wurden an den Bordcomputer gesendet und dann war es soweit: Ready for takeoff! Vor uns lag ein Flug bei gutem Wetter, der uns laut der Simulation des französischen Kontrollzentrums mit gut 800 Km/h auf 2000 Meter schicken sollte.
Die letzten Sekunden verstrichen und aus den Lautsprechern am Startplatz tönte der Countdown: „Three, Two, One, Ignition!“ Ein lautes Grollen ertönte und auf einem Feuerstrahl schoss „Watney“ in die Höhe, durchstieß eine der Wolken und war nicht mehr zu sehen. Dann herrschte Stille. Obwohl noch keine Daten vorlagen, war jedem von uns klar, dass sowohl Flughöhe, als auch Geschwindigkeit deutlich über den, von den Veranstaltern vorausgesagten Werten lagen. Die Sekunden schienen dahinzuschleichen und alle Augen waren in den Himmel gerichtet, um den (hoffentlich planmäßig geöffneten) Bremsschirm zu entdecken. Und tatsächlich: Die Rakete hatte getrennt und befand sich mit Hilfe des kleinen Schirmes in einem schnellen, jedoch kontrollierten Sinkflug. Kurze Zeit später wurde, wie geplant, auf 150 Metern Höhe der Hauptschirm geöffnet und STR-06 glitt sanft wie eine Feder zu Boden und verschwand in rund einem Kilometer Entfernung hinter einem kleinen Hügel. Freude und Begeisterung über den bis dahin makellosen Flug kannten keine Grenzen. Nachdem wir den Start einer anderen Rakete abgewartet hatten, bekamen wir die Freigabe für die Bergung. Dank der, von unserer Elektronik gesendeten GPS- Koordinaten war dies ebenfalls ein Kinderspiel und so konnte „Watney“ schnell und unversehrt in einem Maisfeld gefunden werden. Nach Rücktransport und Nachbereitung in der Werkstatt war es an der Zeit, unseren erfolgreichen Flug gebührend zu feiern.
Die abschließende Auswertung der Flugdaten ergaben eine maximale Flughöhe von 2830m bei einer Geschwindigkeit von 1062 Km/h. STR-06 war dabei der 50-Fachen Erdbeschleunigung ausgesetzt. Der gesamte Flug dauerte rund drei Minuten, davon 21 Sekunden Steigflug.
Keine der anderen Raketen beim C’Cpace 2016 sollte diese Werte überbieten. Dieser Flug war der Jungfernflug für einen neu entwickelten Trennmechanismus auf Kaltgasbasis und stellte zudem einen neuen teaminternen Rekord für Flughöhe- und Geschwindigkeit auf (Der Geschwindigkeitsrekord wurde bei Erscheinen dieses Berichtes schon überboten). Zusammengefasst war dieser Flug in vielerlei Hinsicht einzigartig und wird allen Beteiligten mit Sicherheit noch lange positiv in Erinnerung bleiben.