Im August 2019 war das TU Wien Space Team zu Gast bei der Firma Austin Powder um Messungen für die neue Oberstufenzündung durchzuführen. Die Zündung der Oberstufe im Flug ist essentiell für einen erfolgreichen Flug unser zweistufiges Raketenkonzept „The Hound“. Da die bisherige Oberstufenzündung nicht sehr zuverlässig war, haben wir uns um Alternativen umgesehen.
Auswahlkriterien
Für die Entscheidung wurden die unten angeführten Gesichtspunkte berücksichtigt:
- Logistischer Aspekt
- Verfügbarkeit in Österreich und USA
- Legale Handhabung
- Technischer Aspekt
- Ist die Abbrandrate druckabhängig?
- Ist eine Nozzle-Plug erforderlich?
- In welcher Form wird das Pyrogen geliefert? (Pulver, Pellet)
- Wie wird das Pyrogen im Motor befestigt?
- Ist ein sicherer Einbau des Zünders in die Rakete möglich?
- Wie viel Masse des Pyrogenes wird benötigt?
- Gibt es eine Wechselwirkung zwischen Pyrogen und O-Ring? Kann diese zu Undichtigkeiten und Versagen des Motors führen?
- Sicherheitstechnischer Aspekt
- Eigenschaften der Chemikalien (reizend, ätzende, leicht entflammbar, …)
- Wie ist die Handhabung der Chemikalien?
Erfolgreiche Zündung
Unter den unten angeführten Kriterien sollte eine erfolgreiche Zündung eines kommerziellen Motors
möglich sein. Hierbei handelt es sich um empirische Werte bzw. Erfahrungswerte.
- Flammtemperatur >1000°C
- Die Verbrennungsgase sollen den Motor für die Dauer von 200ms auf einen Druck von über 2bar halten.
- Der Druck im Motor darf während der Zündung den Wert von 30 bar nicht überschreiten.
Borkaliumnitrat
Unter einer Vielzahl von Möglichkeiten hat sich unser Team für Borkaliumnitrat (BKNO3) entschieden. Die Bestandteile amorphes Bor und Kaliumnitrat sind in Amerika und Österreich für uns verfügbar (1a). In Österreich benötigen wir für eine legale Handhabung professionelle Unterstützung. Die Tests wurden daher auf den Sprengplatz der Firma Austin Powder und unter der Aufsicht von ihren Mitarbeitern durchgeführt (1b).
Das BKNO3 erfüllt das erste Kriterium für eine erfolgreiche Zündung, die beiden anderen Kriterien werden mittels Tests ermittelt.
Testaufbau
Um aussagekräftige Ergebnisse der Tests zu erhalten, wurde versucht die Testbedingungen so realistisch wie möglich abzubilden. Zunächst die geometrischen Randbedingungen: Das Volumen des Motors entspricht in etwa dem des Testaufbaus in folgender Abbildung und der Düsendurchmesser von Motor und Teststand sind ident.
Die zweite Randbedingung ist der Umgebungsdruck. Die geplante Höhe in der „The Hound“ die zweite Stufe zündet ist bei etwa 10km. Auf dieser Höhe herrscht ein Umgebungsdruck von etwa 0,25bar. Um diese Bedingungen zu simulieren, ist es notwendig den Umgebungsdruck des Testaufbaus in eine Vakuumkammer abzusenken. Die verwendete Vakuumkammer hat ein signifikant größeres Volumen, damit der Druck in der Vakuumkammer während der Verbrennung nur geringfügig ansteigt.
Der Drucksensor ist mit etwas Abstand zum BKNO3 verbaut. Die Verschraubungen sind mit Teflon abgedichtet, sodass die Verbrennungsgase nur durch die Düse am anderen Ende des Rohres entweichen können. Der Drucksensor misst den Druckverlauf im Testaufbau während der Verbrennung.
Versuchsdurchführung
Für den ersten Versuch wurde eine Menge von 2g verwendet. Der Druck wurde bei allen Versuchen auf etwa 0,1 bar Absolutdruck abgesenkt, das ist geringer als die geforderten 0,25 bar. Leider hat beim ersten Versuch die Datenauswertung bereits vor der Zündung aufgehört aufzuzeichnen. Der Test hat jedoch gezeigt, dass eine Zündung unter den gegebenen Bedingungen problemlos möglich ist. Im Anschluss konnten keine unverbrannten Reste des BKNO3 in der Vakuumkammer gefunden werden.
Nach einem Programmneustart haben wir die Menge an BKNO3 auf 4g, 6g und 8g gesteigert.
Bei 8g wurde abgebrochen, weil ein Deckel der Vakuumkammer aufgegangen ist. Das freigesetzte Gas des BKNO3 würde nicht ausreichen, um einen Überdruck in der Vakuumkammer zu erzeugen. Der Testaufbau war axial nicht fixiert. Daher ist anzunehmen, dass der Impuls durch die Verbrennung des BKNO3 den Deckel aufgedrückt hat. Wie in Kapitel 2 erwähnt, soll der Maximaldruck unter 30 bar bleiben und beim letzten Versuch wurde ein Spitzendruck von 23 bar gemessen. Es ist anzunehmen, dass eine weitere Steigerung auf 10g den zulässigen Maximaldruck überschritten hätte. Man hat sich daher entschieden keine Versuche mit 10g durchzuführen.
Auswertung
Kurz nach der Zündung steigt der Druck rasch an und bricht sofort wieder ein. Der zweite Anstieg erreichte ein deutlich geringes Druckmaximum, jedoch benötigen die Verbrennungsgase einige Zeit bis sie den Testaufbau durch die Düse verlassen haben. Beim letzten Versuch mit 8g ist das Druckniveau am Ende höher als erwartet, weil der Deckel aufgedrückt wurde und der Drucksensor den Umgebungsdruck misst.
In allen aufgezeichneten Kurven ist dieselbe Charakteristik zu sehen. Zuerst kommt es nach der Zündung zu einem Drucksprung, der etwa 15ms andauert. Bemerkenswert ist, dass die Dauer ungefähr gleichbleibend ist, jedoch die Druckspitze mit steigender Menge ansteigt. Es ist zu vermuten, dass es sich hierbei um eine vorauseilende Schockwelle handelt. Der Druck bricht fast auf den ursprünglichen Wert ein, bevor er einige Millisekunden später wieder ansteigt.
Zusammenfassung
Die Tests haben gezeigt, dass BKNO3 problemlos bei geringem Umgebungsdruck gezündet werden kann und das für die Erfüllung der Kriterien in Kapitel 2 etwa 6 bis 8g BKNO3 notwendig sind (2f). Die logistischen Aspekte wurden bereits behandelt, nun werden auf die restlichen Auswahlkriterien eingegangen. Wie in den Versuchen gezeigt werden kann, hat der geringe Umgebungsdruck den Abbrand nicht signifikant verändert (2a). Eine Nozzle-Plug ist somit nicht erforderlich (2b). Das Pyrogen ist sowohl in Pulver als auch in Pellets verfügbar (2c). Das Pyrogen kann mit einem Basket im Motor befestigt werden und hat keine negative Auswirkung auf die O-Ringe (2d,2e,2g).
Aus dem sicherheitstechnischen Aspekt ist BKNO3 wie Schwarzpulver handzuhaben. BKNO3 ist weder ätzend noch reizend, aber leicht entflammbar (3a,3b).
An dieser Stelle möchten wir uns bei Herrn Dr. Kappl (energeticmaterials.at) und der Firma Austin Powder für die freundliche Unterstützung recht herzlich bedanken!